Parallelen zwischen Magersucht und Orthorexie
Auch wenn ein Gewichtsverlust, beziehungsweise ein schlanker Körper nicht immer das primäre Ziel Orthorexie-Betroffener ist, kommt es dennoch immer wieder mal vor. Dabei wird meist der Wunsch nach einem gesundem (schlanken/schönen(?)) Körper in den Vordergrund gestellt. Somit wird neben dem Nährstoffgehalt der Lebensmittel, auch der Energiegehalt bei der Auswahl mit einbezogen. Das Körperbild ist bei Orthorexie-Betroffenen jedoch nicht gestört (vergl. Magersucht: Betroffene empfinden sich trotz extrem niedrigem Gewicht noch als zu "dick"). Sowohl bei Magersucht- als auch bei Orthorexie-Betroffenen spielen Perfektionismus und der Wunsch "besser zu sein als andere" oft eine Rolle.
Beide Krankheitsbilder zeichnen sich durch eine extreme Beschäftigung mit der Nahrungsaufnahme, Zubereitung und Verzehr aus. Auch Schuldgefühle und Bestrafung, wenn sich nicht an die aufgestellten Regeln gehalten wird, kommen bei beiden Erkrankungen häufig vor. Soziale Aktivitäten werden gemieden, da hier die strenge und rigidere Ernährungsweise nicht oder nur schwer einzuhalten sind. Außerdem scheint eine weitere Parallele eine schwach ausgeprägte Fähigkeit für flexibles Handeln zu sein. Das bedeutet: Regeln müssen eingehalten werden, sonst entsteht Panik. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass Magersucht-Betroffene diese Regeln nur für sich selbst als wichtig erachten und ihr Umfeld nicht davon überzeugen wollen, ebenso zu handeln. Orthorexie-Betroffenen sind der Meinung, dass das von ihnen gelebte Essverhalten jedem gut tun würde und sind gerne bereit andere davon zu überzeugen.
Magersucht --> Orthorexie
Einige Frauen, die unter Magersucht leiden, legen auf ihrem Genesungsweg zwar an Gewicht zu, die übermäßige Beschäftigung mit dem Essen bleibt jedoch. Lediglich der Fokus verändert sich.
Weg von möglichst kalorienarm und/oder fettarm zu möglichst nährstoffreich und "gesund".
Die Lebensmittelauswahl nach Nährstoffgehalt zu treffen, vermittelt das Gefühl, Kontrolle über die eigene Gesundheit haben. Anstelle der täglich mehrmals dokumentierten Zahl auf der Waage werden jetzt Nährstofftabellen gecheckt und Inhaltsstoffe einzelner Lebensmittel unter die Lupe genommen. Auch hier geht es wieder um Disziplin und Durchhaltevermögen- ähnlich wie bei dem Ziel des Gewichtsverlustes. Auf Grund der zwanghaften Fixierung auf gesunde Lebensmittel finden sich immer "gute" Gründe um bestimmte Lebensmittel(-gruppen) wegzulassen. So entsteht mehr "Sicherheit" und ein Raster, das bei der Auswahl im Supermarkt hilft. Betroffene fühlen sich sonst häufig verloren.
"Theoretisch alles zu dürfen, aber nicht zu wissen, nach welchen Kriterien man die Auswahl treffen soll- da fahren die Gedanken Achterbahn."
In der Magersucht durfte eine bestimmte Kalorienzahl nicht überschritten werden. In der Orthorexie muss das Lebensmittel die harten Kriterien einen gesunden, oft "cleanen" Ernährung erfüllen, um im Einkaufswagen zu landen.
Orthorexie --> Magersucht
Doch auch anders herum ist ein Übergang möglich. Je intensiver und kritischer die Beschäftigung mit dem Essen, desto mehr Lebensmittel landen auf der Verbotsliste. Wenn dann noch strenge Regeln darüber aufgestellt werden, wann gegessen werden darf (z.B. nur 1-2 mal am Tag auf Grund von Intervallfasten), kann es schnell zu Unterversorgung mit Energie und Nährstoffen kommen. Da in unserer Gesellschaft schlanke Menschen grundsätzlich als gesünder angesehen werden, wird der Gewichtsverlust oft sogar mit Stolz betrachtet. Frei nach dem Motto:
"Das richtige zu essen und nicht über die Strenge zu schlagen- das schaffen die wenigsten."
Zudem wird eine Mahlzeit lieber ausgelassen, wenn sie nicht den Vorgaben entspricht. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass auf Reisen oder an Tagen, an denen Betroffene unterwegs sind, nichts- außer der selbst mitgebrachten Nüsse- verzehrt wird.
"Lieber hungern, als etwas falsches essen."
Hinzu kommt häufig noch ein strenges Sportprogramm, mit dem auch die letzte Energie verbraucht wird. So kann sich das Gewicht immer weiter verringern. Rückblickend beschreiben viele Betroffene, dass sie sich oft schlapp und kraftlos gefühlt haben. Doch das wurde nicht auf die (mangelnde) Ernährung zugeführt. Auch gesundheitliche Beschwerden wie Reizdarm oder eine ausbleibende Periode werden wegignoriert oder es wird dafür eine Lösung in Form einer noch weiter optimierten Ernährung gesucht.
"Das Schlimmste für eine orthorektische Person ist es, sich eingestehen zu müssen, dass die eigene Ernährung alles andere als perfekt ist. "
Daher dauert es oft Jahre, bis es zur Einsicht und zur Behandlung kommt.
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